Ein großer Schritt für unsere Kleinen: der Schulanfang
Bald ist es so weit. Ein neues Schuljahr beginnt und vor allem für alle Schulanfänger:innen und Schulwechsler:innen wird es ein aufregendes neues Schuljahr. Sei es, dass sie eine neue Schule besuchen oder auf eine höhere Schule wechseln oder auch ganz neu in das Schulleben eintauchen und einen neuen Lebensabschnitt beginnen. Diese Erfahrung verändert nicht nur das Kind, sondern auch die Eltern.
Als erwachsene Bezugsperson wünschen wir uns, dass unsere Kind eine nette, verständnisvolle und kompetente Lehrkraft bekommen werden, sie in eine wertschätzende Schul- und Klassengemeinschaft eintauchen. Wir erhoffen uns, dass unser Kind sich auf diese neue Veränderung gut einstellt und es natürlich auch tolle neue Freundschaften eingeht. Und vor allem, dass es die Schule nicht nur als Lernort, sondern auch als einen Ort der Freude, des Spaßes und des Abenteuers erlebt.
Und das ist der Moment, in dem sie erkennen, dass sie ihr Kind in dieser Lebensphase kaum schützen können.
Doch für Eltern von marginalisierten Kindern enden ihre Wünsche nicht dort. Nicht wenige bangen und fürchten diesen neuen Lebensabschnitt. Ihre Hoffnungen und Wünsche umfassen folgende Überlegungen:
Hoffentlich wird mein Kind nicht das Einzige marginalisierte Kinder in der Klasse sein?
Hoffentlich bekommen wir eine sensibilisierte Lehrkraft, die machtkritisch ist und für die Rassismus und Antirassismus und fehlende Inklusion nicht nur Fremdworte sind, sondern reale Benachteiligungen und Bedrohungen für marginalisierte Kinder.
Hoffentlich erkennt die Lehrkraft, dass diese Strukturen, das Kind schädigen und es in den Grundrechten verletzt und die Selbstentfaltungsmöglichkeiten des Kindes einschränkt.
Hoffentlich sind auch die anderen Eltern machtkritisch und setzten sich aktiv gegen Rassismus und andere Diskriminierungsformen ein. Nicht weil sie denken, es für Eltern und Kinder of Color oder solche mit Behinderung zu tun, sondern weil sie erkennen, dass sie sich gegen eine Struktur einsetzen, die für alle schädlich ist.
Hoffentlich wird mein Kind keine rassistische oder sonstige diskriminierenden Erfahrung machen müssen (unrealistisch).
Hoffentlich wird mein Kind nicht auf Grund eines Körpermerkmales ausgeschlossen.
Das sind Gedanken und Ängste von Bezugspersonen, deren Kinder marginalisiert sind. Und das ist der Moment, in dem sie erkennen, dass sie ihr Kind in dieser Lebensphase kaum schützen können.
Bitte untersucht die Schulbücher und die Schulmaterialien kritisch auf ihre Sprache, die transportierten Bilder und ihre Inhalte
Doch ist das ein unabwendbarer Schicksalsschritt? Ist es nicht eher so, dass alle Beteiligten durchaus eine reale Chance haben, wenn alle Beteiligten erkennen, was sie aktiv tun können, um Schulen zu einem sicheren Ort für alle zu machen?
Bevor die Kinder einen Schritt in die Schule setzen, könnten folgende Bitten/Forderungen an das Lehrpersonal, einen immensen Unterschied im Leben aller anderen beteiligten Menschen machen:
Bitte untersucht die Schulbücher und die Schulmaterialien kritisch auf ihre Sprache, die transportierten Bilder und ihre Inhalte:
- Wer wird in den Büchern abgebildet?
- Wessen Perspektive wird in den Büchern wiedergegeben. Werden rassistische Begriffe benutzt?
- Wie werden Kinder portraitiert.
- Werden Menschen im ABC (in der Alphabetisierung) exemplarisch als Beispiele/Platzhalter verwendet (zum Beispiel Ind**ner). In welchem Zusammenhang?
- Werden Menschen of Color als Individuen abgebildet? Werden sie benannt, falls ja, wie?
Gibt es im Schutzkonzept der Schule einen Passus, der Kinder expliziet vor Diskriminierungen schützt?
- Wie kompetent ist das Personal diskriminierende Vorfälle zu erarbeiten, das negativ betroffene Kind zu schützen und zu empowern und das positiv von Rassismus profitierende Kind zu dem Vorfall aufzuklären?
- Was wird getan, um Kindern mehr Schutz zu bieten? Welche Ressourcen bietet die Schule, um Diskriminierung(en) jeglicher Form zu erkennen, zu benennen und abzubauen?
Zur Besetzung der Schulklassen:
- Werden Kinder of Color/marginalisierte Kinder alle in einer Klasse gruppiert oder werden sie einzeln auf Klassen verteilt? Warum? Welche Motivation/Gedanken stecken dahinter?
- Empowert das die (marginalisierten) Kinder?
Bei den Infoveranstaltungen der Schulen
- Welche Rolle spielt die Positionierung der Kinder (kulturelle, sprachliche, politische Identität(en))?
- Müssen machtkritische Eltern (Eltern marginalisierter Kinder) die Haltung der Schule zu Rassismus und anderen diskriminierenden Strukturen proaktiv ansprechen, um die Haltung (oder Unkenntnis) der Schule zu erkennen?
- Ist sich die Schule dieses gesellschaftlichen Problems bewusst und thematisiert dies selbstverständlich, offenbart sie ihre Strategie, ihre Arbeit, ihre Herangehensweise an die Probleme?
Damit alle Kinder und ihre Bezugspersonen diesen neuen Abschnitt mit weniger Ängsten und vor allem mit Freude begegnen dürfen, möchten wir folgende Vorschläge an die Lehrer:innen und die Schulen stellen:
Was kann getan werden, um Schulklassen diskriminierungsärmer zu machen:
- Eltern einbinden und Machtkritik in Elternabende, Infoveranstaltungen, Schulveranstaltungen einfließen lassen
- Materialien und Inhalte kritisch analysieren auf Bilder, Sprache, Inhalte, Repräsentation etc.
Wie können Eltern von marginalisierten Kindern sich auf die Schulzeit, den Schulwechsel gut vorbereiten:
- Neben dem Fokus der Schule evtl. auch Infoveranstaltungen und Gespräche mit Lehrenden und anderen Eltern von marginalisierten Kindern nutzen, um die Positionierung der Schule herauszufinden
- Einen Blick auf die Schule werfen: welche Kinder werden abgebildet auf der Webseite, positioniert sich die Schule in ihrer Kommunikation, ist die Schule machtkritisch und benennt diese Themen auf den Infoveranstaltungen, auf der Webseite etc. Neben einer Haltung wie „Schule ohne Rassismus“ (gibt es nicht), welche weiteren Formen hat sie, aktiv gegen Rassismus vorzugehen?
- Eventuell andere Eltern von marginalisierten Kindern ansprechen und befragen
Eltern weißer Kinder:
- Welchen Beitrag kann ich leisten, um die Schule zu einem diskriminierungsärmeren Ort zu machen
- Habe ich mit meinem Kind über die eigene Positionierung gesprochen und es sensibilisiert für Rassismus, Ableismus, Klassismus etc.?
- Welche Verantwortung übernehme ich, wenn rassistische, ableistischen, klassistischen Vorfälle (etc.) geschehen?
- Welche Unterstützung kann ich bieten, um diskriminierungssensible Strukturen an der Schule zu etablieren? (z.B. Themenbezogenen Projekttage oder Weiterbildungen einfordern)
Als letzen Tip für alle Eltern und Lehrkräfte, die sich für eine machtkritische und diskriminierungsärmer Schule einsetzen haben wir folgenden:
Bildet Banden!
Tut euch mit gleichgesinnten Eltern, Lehrkräften und Initiativen zusammen um gemeinsam etwas zu bewegen.
Wir wünschen allen Schüler*innen und ihren Eltern und Bezugspersonen einen wundervollen Start in das kommende Schuljahr.